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Transkript Podcast AI Gigafactory

Moderator (Andreas Maurer): Bei mir auf dem IONOS Summit 2025 in Berlin sind jetzt unser Ionos Produktvorstand Dr. Andreas Nauerz und Bernt Holtwick CFO und Chief Operating Officer bei der Hochtief PPP Solutions GmbH.

Der Grund dafür ist, dass Ionos und Hochtief im Juni bekannt gegeben haben, dass sie sich mit einem Konsortium für eine der von der Europäischen Kommission ausgeschriebenen oder angekündigten AI Giga Factories bewerben wollen. Bernt, vielleicht noch mal in ganz kurzen Worten: Was genau ist so eine AI Giga Factory?

Bernd Holtwick: Ja. Die AI Giga Factory soll die EU etwas souveräner von anderen Anbietern aus den USA machen. Dabei geht es eben um ein großes Rechenzentrum mit entsprechenden GPU Leistungen, die es ermöglichen, große Modelle zu rechnen. So ist im Moment ja der Gedanke. Vielleicht reden wir ja gleich auch noch mal genau über den Ansatz und nicht, wie gut der passt, aber das ist im Wesentlichen das, was ich da zusammenfassen kann. Aber vielleicht noch mal ein bisschen konkreter: Das Ding heißt ja nicht ohne Grund Giga. Was ist denn jetzt das Giga in der Factory? Wie unterscheidet sich so eine Giga Factory von einem normalen Cloudrechenzentrum oder auch einem normalen KI Rechenzentrum, wie sie heute schon im Einsatz sind?

Dr. Andreas Nauerz: Also Bernt kann mich ja gerne korrigieren, aber aus meiner Sicht ist manchmal auch Namensgebung sehr, sehr wichtig, um entsprechende Visibilität und vielleicht auch Marketingeffekte dahinter zu klemmen, weil es ja durchaus auch mit einer gewissen Reputationsbildung und Prestige einhergeht. Prinzipiell, wenn man es jetzt ein bisschen faktischer sieht: Ich glaube, da geht's vor allem natürlich darum, dass Giga, weil so unfassbar viel Rechenpower da rein soll. Wobei ich da gleich mal einwenden würde: Das ist ja alles schön, aber was man natürlich erstmal machen muss, ist auch zu validieren, dass es sinnvoll ist, so viel Rechenpower da reinzubringen. Und dazu wiederum muss man natürlich auch mit den potenziellen zukünftigen Kunden reden, um zu gucken, was deren Anwendungsfälle sind, was deren mögliche Workload ist, und welchen Demand die wirklich haben über einen bestimmten Zeitstrahl und nicht blind versuchen Giga zu bauen. Ich würde gar nicht Giga bauen, ich würde gerne adäquat bauen und vielleicht auch in einem Stage Approach, wo man anfängt langsam loszulaufen, zu gucken, wie es dann geht, bis es dann irgendwann vielleicht mal Giga wird. Aber im Prinzip ist es die Rechenpower, die es zu Giga macht.

Moderator (Andreas Maurer): Aber was genau wird denn am Ende in so einer Giga Factory passieren? Wir haben ja, glaube ich, bei der künstlichen Intelligenz so zwei große Anwendungsfälle: einmal muss ich die KI erstmal trainieren, das ist glaube ich das, was die richtig fette Rechenpower braucht, und dann die sogenannte Inference, also die Anwendung der KI. Was mache ich denn in der Giga Factory am Ende wirklich?

Dr. Andreas Nauerz: Das ist ein spannender Punkt, und ich glaube, da gibt es divergierende Bilder bei den Protagonisten, die da so unterwegs sind. Ich sage dir mal meine Sicht darauf, und dann sage ich dir, was ich fühle, was andere denken. Andere denken (ohne zu spezifizieren, wer andere sind): Weil jetzt in den USA die Giga Factories gebaut werden, müssen wir jetzt auch Giga Factories bauen, damit wir nicht hinten dran hängen, und in diesen Giga Factories werden wir ganz, ganz große Large Language Models trainieren und so weiter. Ich habe ja vor meinem Vortrag schon gesagt, das halte ich für ein Industrieland wie Deutschland für gar nicht so relevant erstmal, denn was willst du mit einem Large Language Model, das dir sagt, was Christoph Kolumbus 1492 gemacht hat? Wir brauchen eher kleine Modelle. Diese kleinen Modelle bringen wir dann in unsere Industrieapparate, unsere autonomen Systeme, in Fahrzeuge und in Roboter. Das heißt, ich glaube gar nicht, dass solche riesigen Modelle trainiert werden. Und das zweite ist: Ich glaube, dass viel, viel mehr Inferenz auch passieren wird, wo dann zum Beispiel Skill Updates auf die Roboter quasi runtergebrochen werden. Da müssen wir uns wirklich klar werden, in welche Richtung das geht, weil das die Topologie und die Auslegung der Giga Factory in adäquater Weise massiv mitbestimmen wird. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber wahrscheinlich ähnlich.

Bernd Holtwick: Wir müssen uns die Frage stellen hier in Europa, inwieweit das, was mit Giga Factory eigentlich gemeint ist – nämlich ein Rechenzentrum, was über 1 Gigawatt an Leistung hervorbringt – in Europa überhaupt wirklich Sinn macht. Wir sprechen ja schon von einer deutlich geringeren Skalierung hier, irgendwo etwas über 100 Megawatt bis 200 Megawatt, wo wir da auch immer liegen werden. Wenn wir uns die Rechenzentren von Google, Meta, Microsoft und Amazon in den USA anschauen, dann sprechen wir wirklich von Anlagen, von Campusanlagen, die 1,x Gigawatt heute haben.

Moderator (Andreas Maurer): Pallenberg hat eben in seinem Vortrag ein schönes Bild gehabt: Die Giga Factory von Meta alleine hätte am Ende die Größe von Manhattan.

Bernd Holtwick: Ja, also ich war vor einiger Zeit in Columbus, Ohio bei Google, und wenn man vor dieser Fläche steht – man kann da nicht von Rechenzentrum sprechen, das ist ein Areal und das sind auch mehrere Gebäude, die dort zum Tragen kommen, die Stück für Stück ausgebaut werden. Dann sieht man, dass da von einer ganz anderen Skalierung gesprochen wird. Die Rechenleistung, die da teilweise auch von Tesla, für Grock und für Open AI, von Amazon etc. zur Verfügung gestellt wird, die werden wir hier nicht in Anwendung sehen. Es sei denn, es gibt einen ganz anderen Ansatz, dass das subventioniert wird. Ich wüsste nicht, welches Unternehmen in Europa gerade ein Geschäftsmodell fährt, was solche Mengen an Rechenkapazität überhaupt abnehmen kann.

Dr. Andreas Nauerz: Und ich meine, wenn ich da noch mal ergänzen darf: Völlig richtig. Das Problem ist auch, Bernt und ich versuchen auch immer so ein bisschen herauszufinden, damit wir dann auch entsprechend das Richtige hinstellen können, was die Kunden in Deutschland eigentlich wirklich brauchen. Wenn man die so fragt, dann kommt auch gar nicht so viel. Das ist dann eher so: Wir gucken mal, wir wissen jetzt auch nicht genau, was die Anwendungsfälle sind, die für uns primär wichtig sind, und welchen Demand auf welcher Zeitachse wir genau brauchen. Das ist für uns dann auch nicht mehr so ganz einfach, weil wir am Ende auch ein Geschäftsmodell ableiten müssen.

Bernd Holtwick: Ja, wir müssen auch sagen, viele Unternehmen sind ja noch gerade dabei herauszufinden, wie sie als Nächstes KI anwenden wollen. Man fängt an, die Mitarbeitenden über erste Themen zu informieren. Das sind dann Large Language Model Ansätze, sei es dann Copilot von Microsoft oder eben auch Chat GPT, um ein bisschen zu experimentieren. Und dann kommt hier eigentlich erst der nächste Schritt, wo man anfängt, Prozesse zu identifizieren, dafür Lösungen zu entwickeln, die dann auch wirklich Effizienz in die Prozesse reinbringen können. Und jetzt etwas dahinzustellen, was viel mehr an Möglichkeiten geben würde, da stellen wir uns schon die Frage, wie wir das in die Industrie hineinbekommen. Ich denke, was vielleicht ein Ansatz sein kann, dass wir – und das war gerade mein Eingangstatement Richtung Souveränität – dass Europa oder Deutschland eben auch das Ganze als ein kritisches Thema betrachtet. Kritische Infrastruktur – ein kritisches Thema wie Gesundheit, wie Wasser, wie Energie – und überlegen muss, wie weit so etwas dann auch im Bereich einer Defense Strategie wichtig sein wird in Zukunft, um eben unabhängig zu sein, nicht nur im Sinne von Souveränität, sondern auch im Sinne von Resilienz der Gesellschaft und der Industrie als solcher.

Dr. Andreas Nauerz: Ja, und wenn ich da vielleicht auch noch mal ergänzen darf: Das ist auch, weil du gerade Resilienz gesagt hast, da gibt es auch immer so viel Uneinigkeit. Wie viel Giga Factories brauchen wir denn jetzt? Man hört immer, wir brauchen jetzt irgendwie fünf in Europa. Aber wenn das, was ich vorhin gesagt habe, stimmt, dass es viel stärker in kleine Modelle geht, dass Inferenz natürlich eine hohe Rolle spielt, dann habe ich meine Zweifel, dass dieser Wunsch, eine riesige Giga Factory hinzustellen, wirklich adäquat ist, gegeben diese Entwicklung. Und deswegen denken Bernt und ich, vielleicht ist es aber auch mal sinnvoller zu überlegen, ob wir nicht zwei oder drei machen. Das hat auch andere Vorteile. Wenn wir zum Beispiel an Defense denken, brauchen wir eh zwei, die dann die entsprechende Redundanz einfach hinstellen. Und da müssen wir auch immer wieder – das ist ja auch in Ordnung – diesen Diskurs gehen, mit der entsprechenden Vertretung auf EU-Seite und Regierungsseite bei uns diskutieren und ihnen klarmachen, dass wir das so sehen, dass das wichtig ist. Ich möchte sagen: nicht immer klar abspeichern, es wird genau fünf geben und eine pro Land vielleicht, die dann den Zuschlag kriegen. Ich glaube, wir brauchen da vielleicht doch eine andere Topologie, möchte ich das nennen.

Moderator (Andreas Maurer): Und da kommen wir vielleicht jetzt auch zur Zusammenarbeit, denn ich meine, eine Giga Factory kostet logischerweise schon eine Menge Geld. Die EU geht, glaube ich, von irgendwie zwischen 3 und 5 Milliarden Investitionskosten pro Giga Factory aus. Wenn wir jetzt von zwei reden, dann werden es im Zweifel nicht weniger Euro sein. Das heißt, das kann ja eigentlich kaum ein Unternehmen alleine stemmen. Von daher ist die Frage: Wie haben sich Partner wie Ionos und Hochtief überhaupt gefunden? Und wer kann da noch alles rein? Das werden wir beide alleine ja wahrscheinlich auch nicht gestemmt kriegen.

Bernd Holtwick: Also, wir haben uns ganz am Anfang, als wir von dem Verfahren gehört haben, von dem Expression of Interest, auf den Weg gemacht und geschaut, wer Partner sein könnte. Wir haben mit allen Partnern gesprochen, mit dem einen kürzer, mit dem anderen länger. Wir haben lange gesprochen. Wir haben relativ schnell in der Denke zueinander gefunden – Ionos und Hochtief – in der Form, dass wir gesehen haben, wir haben gewisse partnerschaftliche Gene, die zu einer sehr schnellen Zusammenarbeit geführt haben. Das Projektteam war schnell da, man war schnell in einer agilen Arbeitsweise. Wir haben natürlich geguckt, wie wir komplementär ein starkes Team bilden können. Wir als Hochtief sind natürlich sehr stark in dem Gebäude-Infrastruktur-Stack unterwegs: Planen, bauen, auch solche Gebäude finanzieren, und dann aber auch betreiben und instandhalten. Wir schauen so ein bisschen auch jetzt in die anderen Ebenen rein. Wir haben auch da Erfahrung gesammelt in der letzten Zeit, wie wir die Schnittstelle bedienen, wie wir die optimieren können, weil wir Projekte als Lebenszyklus denken. Und wir finden das super spannend, mit einem Partner eng zusammenzuarbeiten, um den gesamten Stack bis hoch zum Kunden abzudecken, weil darum geht's am Ende: Was konsumiert der Kunde?

Dr. Andreas Nauerz: Ich glaube, an dem Punkt ist vielleicht an der Stelle auch noch mal ganz wichtig, was mir in dem Projekt wieder klar wurde: Ungeachtet der inhaltlichen Aspekte und wie gut man sich ergänzen kann nach einer erfolgten Gapanalyse, ist es immer wieder faszinierend. Da merkst du, dass du mit Menschen arbeitest. Es macht halt auch schon einen Unterschied: Ist diese Firma prinzipiell eine Firma, die gerne partnerschaftlich in Konsortien arbeitet? Und ganz am Ende, jetzt ohne Bernt Honig um den Mund zu schmieren: Das Geschäft wird schon auch zwischen Menschen gemacht. Wenn wir jetzt nicht miteinander könnten, dann wäre es halt einfach schwierig. Und es führt dazu, dass es Spaß macht – das ist auch wichtig. Ich sage das nicht nur, weil es schön klingt, sondern es ist wichtig in so einer Zusammenarbeit, und das funktioniert einfach.

Bernd Holtwick: Und du hattest Andreas nach der Finanzierung gefragt. Wir sind es zum Beispiel bei Hochtief gewöhnt, solche Projekte im Infrastrukturbereich zu machen: große Projekte im mehrere Milliarden Bereich, wo wir dann Partner zusammenbringen. Das sind dann auch Public Private Partnership Partner, aber auch Finanzierungspartner – sowohl auf der Eigenkapital- als auch auf der Fremdkapitalseite. Wir sind es gewohnt, dort diese Grundlage für solche Projekte auf den Weg zu bringen, und das bringen wir hier auch gerne mit rein, um dann hinterher auch dieses Volumen stemmen zu können. Und wir teilen, das war schon richtig angeteasert, wir teilen uns natürlich auch das Risiko hierbei, sowohl auf der finanziellen Seite als auch dadurch, dass eben jeder, der sein Risiko in seinem Stack bestmöglich händeln kann, das dann auch in die Hand nimmt.

Dr. Andreas Nauerz: Und vielleicht, sorry, wenn ich noch mal ins Wort falle, aber ich glaube, das ist wichtig. Man muss schon auch wissen, und es ist auch nachvollziehbar, dass auf einer politischen Ebene schon ein starker Wunsch besteht – im Zuge des starken europäischen Wettbewerbs –, dass man überlegt, ob man mit diesen ganzen Konsortien, die unterwegs sind, auch noch mal Bündnisse eingehen kann. Wir müssen dann wirklich eine inhaltliche Tiefenbohrung machen und auch wirklich überlegen, wer kann in sinnvoller Art und Weise welchen Baustein beitragen, ohne dass es kongruent ist, sondern dass es möglichst komplementär ist, sodass man dann auch wirklich Mehrwert durch die Zusammenlegung hat. Weil du auch nach Partnern gefragt hast und danach, wie kann das im Weg nach vorne sich auch noch entwickeln.

Moderator (Andreas Maurer): Ich wollte zu Bernt noch mal einen Schritt zurückgehen. Ich bin auch schon seit April, glaube ich, mit dem Thema Giga Factory von der Kommunikation beschäftigt. War aber gerade, als es in die heiße Phase ging, in Irland im Urlaub und habe dann irgendwann einen Anruf vom Handelsblatt bekommen, ob ich da was sagen könnte. Ich war dann tatsächlich überrascht, als ich im Urlaub dann irgendwann im Handelsblatt gelesen habe: Ionos bewirbt sich mit Hochtief. Ich hatte euch vorher nicht auf dem Schirm. Ich habe dann aber natürlich ein bisschen gelesen, und ihr habt ja durchaus auch einen Track Record, was das Thema Rechenzentren angeht.

Bernd Holtwick: Also, wir sind definitiv einer der größten Rechenzentrumserichter weltweit und haben auch eine ganze Menge an Rechenkapazität im Betrieb. Einer der größten Teile ist der Hochtief Turner in den USA. Wir bauen eben für Google, Meta, Amazon und für Microsoft, aber auch für Colocator wie Vantage, diese wirklich Giga Factories. Das sind dann die ganz großen, aber eben auch in allen Varianten bis runter zu kleineren Rechenzentren unter 100 Megawatt, von Australien bis rüber in die USA. Insofern haben wir da einiges an Expertise gesammelt. Wir selber als Hochtief PPP Solutions und auch die eine oder andere Einheit in der Hochtief beschäftigt sich auch mit Design, Build, Finance, Operate, Maintain. Das heißt, wir machen den kompletten unteren Teil. Ich gestalte die Planung so, dass ich gut bauen und betreiben kann, dass ich das optimal finanzieren kann. Das ist das, was Andreas gerade angesprochen hat: Wie kann ich denn so ein Vorhaben bestmöglich finanzieren? Garantiert nicht, indem ich das am Tag 1 komplett dahinstelle und komplett mit sehr, sehr teuren GPUs ausstatte, sondern ich versuche, einen Finanzierungsplan aufzubauen, der dann optimiert ist. Und da haben wir entsprechende Expertise in den letzten Jahren gesammelt, die wir auch gerne in unser gemeinsames Unterfangen bei der AI Giga Factory mit einbringen.

Dr. Andreas Nauerz: Und was ich echt beeindruckend finde: Ich möchte die Kollegen von Hochtief auch mal explizit loben. Ich finde, von dem, was ich von Bernt gesehen und auch lernen durfte, das ist extrem beeindruckend, auch welche Leistungs-KPIs die erreichen, wenn es zum Beispiel um Energieverbrauch und Nachhaltigkeit geht. Das ist schon ein Level, das können, glaube ich, nicht viele. Also echt krass.

Bernd Holtwick: Vielen Dank Andreas.

Dr. Andreas Nauerz: Nee, das ist die Wahrheit. Das ist nicht Schleimen hier. Das ist....

Bernd Holtwick: ...vielleicht tut das gut. Gut, Andreas, ich weiß ja, was du jeden Tag durchmachst. Dann hau ich mal einen schönen Spruch raus.

Moderator (Andreas Maurer): Aber mit der Expertise vielleicht noch mal die Frage: Es ist ja schon in der Presse kolportiert worden, dass wir da eventuell zwei Standorte im Hinterkopf haben, ohne die jetzt zu nennen. Aber einfach aus der Praxis und der Erfahrung: Was wären denn so wichtige Standortfaktoren für so ein großes Rechenzentrum, wo man es hinbauen will?

Bernd Holtwick: Bei den großen Rechenzentren ist das gar nicht so kompliziert, wie das vielleicht bei Edge Rechenzentren ist, weil da muss mehr zusammenkommen. Die großen Rechenzentren brauchen einfach unheimlich viel Stromkapazität. Das war eine Zeit lang in Deutschland schon schwierig, aber es haben sich einige auf den Weg gemacht. Die großen Stromerzeuger und Strom-Netzanbieter haben sich schon Stück für Stück darauf ausgerichtet, wobei das Ganze auch noch Zeit braucht. Man muss sich überlegen, so ein Umspannwerk zu bauen, dauert irgendwo zwischen 5 und 10 Jahre von Planung bis zur Realisierung. Das ist schon Wahnsinn. Da brauchen wir auch noch mal andere Verfahren in Zukunft, die das Ganze beschleunigen. Wenn wir über so ein Großrechenzentrum sprechen, da ist es unheimlich wichtig, dass wir da in der Nähe entweder sehr, sehr viel Windstrom haben, sehr, sehr viel Kraftwerkstrom haben. Und da gibt es einige Grundstücksangebote, wo ehemalig auch Kraftwerke draufgestanden haben, die solche Infrastruktur schon in den Grundzügen haben, die man jetzt wieder neu aufleben lassen kann. Und es gibt dann eben einige Regionen, die in der Strukturerneuerung sind, die natürlich solche Grundstücke dann auch anbieten.

Moderator (Andreas Maurer): Jetzt war zuletzt in der Presse zu lesen, dass wir am Anfang immer von fünf oder sechs Bewerbungen gehört haben. Am Ende sollen es 12 deutsche Bewerbungen alleine gewesen sein. Andreas, du hast eben gesagt, es macht schon Sinn, dass man vielleicht auch noch mal miteinander redet. Aber letztendlich: Wie wahrscheinlich ist es jetzt, dass Deutschland überhaupt eine Giga Factory kriegt und dass wir dann auch den Zuschlag bekommen?

Dr. Andreas Nauerz: Erstens mal, ich habe gehört – und ohne das jetzt in jedem Detail verifiziert zu haben – dass es inzwischen eine geringe zweistellige Zahl von Bewerbungen gibt. Jetzt muss man aber schon sagen, wir sehen ja auch, wer wird wirklich eingeladen. Wer wird wirklich eingeladen zu den entsprechenden Runden beim BMFDR, BMDS? Wer redet wirklich dann mit den entsprechenden Vertretern der EU-Kommission? Das sind immer die vier gleichen Protagonisten, zu denen wir glücklicherweise auch gehören. Ich glaube, das ist schon eine starke Message, wer hier eigentlich eine Chance hat. Der zweite Punkt, um auf den zweiten Teil deiner Frage einzugehen: Ich habe es ja schon gesagt, es gibt einen klaren Wunsch der Regierung infolge des europäischen Wettbewerbs, dass man versucht, wirklich ganz zusammenzukommen. Auch dort spielen, wie gesagt, die inhaltlichen Aspekte: Kann man das sinnvoll schneiden? Zum Teil spielen vielleicht auch persönliche und historische Aspekte eine Rolle, ob das fliegen kann oder nicht. Wir sind prinzipiell gesprächsoffen. Das möchten wir hier aber ganz klar sagen. Wir haben immer – das haben wir auch nie anders gesagt – die Offenheit, mit jedem den Dialog einzugehen, und zwar ergebnisoffen, ob dann am Ende herauskommt, dass es für beide Seiten Sinn macht. Es bringt ja auch nichts, wenn drei zusammengehen, die dann konkurrierende Lösungen haben, und dann hast du fünf Jahre Streit, das kann es jetzt auch nicht sein. Aber diese Gespräche zu führen und zu gucken, ob wir wirklich einen guten Schnitt hinkriegen, ist absolut sinnvoll, und Bernt und ich machen das auch. Wir führen Gespräche mit anderen, ohne das namentlich zu benennen. Wir machen Workshops auch mit anderen, um zu versuchen, ob wir diese Art von sinnvoller Aufteilung hinkriegen, um auch dem Regierungswunsch in gewisser Weise zu entsprechen.

Bernd Holtwick: Also, wenn ich da noch mal ergänzen darf: Die EU und auch die Bundesregierung, und ich denke auch die anderen EU-Regierungen, die irgendwo auch einen Beitrag noch zusätzlich zur AI Giga Factory leisten, die möchten ja auch, dass ihr Investment, was sie damit reinbringen, nachhaltig ist. Bei der Größe des gesamten Vorhabens macht es schon Sinn, das auch mit mehreren Partnern zu machen, und der Kuchen ist am Ende auch so groß, wenn wir das dann kommerzialisiert bekommen sollten, dass da auch alle ganz gut von leben können.

Dr. Andreas Nauerz: Und es hat ja noch einen Vorteil, wir hatten es gerade letzte Woche, Bernt: Trotz all der Unsicherheit, die wir gerade auch schon besprochen haben (was machen die Kunden, wie viele Kunden und so weiter), hat es einen weiteren Vorteil, das gemeinsam zu machen und zum einen natürlich auch verschiedene Kompetenzen im Gesamtstack zusammenzubringen, nämlich man teilt damit auch das Risiko, muss man einfach auch klar sagen.

Moderator (Andreas Maurer): Bleibt die Frage: Wann wissen wir, wie das Spiel ausgeht? Wie sieht das mit dem Verfahren jetzt aus?

Bernd Holtwick: Mitte Januar ist angekündigt, dass da der Tender rauskommt. Über die Länge des Verfahrens haben wir noch keine Antwort bekommen. Es kann sein, dass dann noch mal ein paar Verhandlungsrunden danach kommen, je nachdem, wie die verschiedenen Konsortien der einzelnen Länder dort die Schwerpunkte setzen. Ich denke, wir werden viele verschiedene Lösungen sehen. Die deutsche Lösung wird nicht gleich der französischen, gleich der spanischen, gleich der skandinavischen und so weiter sein, und dann wird es natürlich eine Sache sein, das zu bewerten. Also, wir haben in unseren Gesprächen auch heute schon adressiert, es wäre gut, dass wir eine gewisse Transparenz über eine Bewertungsmatrix haben, wie dann die verschiedenen Konsortien bewertet werden, damit wir uns da entsprechend orientieren und unser Angebot danach ausrichten können. Es muss am Ende natürlich wirtschaftlich absolut Sinn machen.

Dr. Andreas Nauerz: Und um das auch noch mal tiefer zu legen, was Bernt gerade gesagt hat: Alles richtig. Natürlich, am Ende ist es die Euro HPC, die da entsprechend die Entscheidung trifft. Das heißt, im Prinzip 50% der Stimmgewalt liegt bei der EU und der Euro HPC, und 50% bei den entsprechenden Mitgliedsländern in der EU, plus zwei, drei andere, die da noch was zu sagen haben. Und das Traurige ist: Es wird fünf Goldmedaillen geben und keine Silbermedaille. Das ist halt einfach so. Dem müssen wir uns unterziehen. Aber wenn ich jetzt in deine Richtung gucke, Andreas, und wenn du uns zwei siehst: Wer soll den Zuschlag sonst kriegen? So viel Kompetenz können die gar nicht mehr kriegen.

Moderator (Andreas Maurer): Damit vielleicht dann tatsächlich verbunden die Frage: Es kann nicht jeder eine Goldmedaille kriegen, aber man kann ja Rechenzentren auch ohne staatliches Geld am Ende bauen. Wie seht ihr die Zukunft für die KI-Rechenzentren, die KI generell in Europa?

Dr. Andreas Nauerz: Also, ich glaube, der Demand wird da sein. Es ist nur die Frage, auf welcher Zeitachse. Ich glaube, wie gesagt, dass er anders kommen wird, als man sich das an manchen Stellen vorstellt. Ich glaube nicht an Large Language Models, ich glaube an viele Small Language Models, die dann, wie gesagt, quasi als Download in die autonomen Systeme wie Fahrzeuge und Roboter reingehen. Und ich glaube auch massiv an Inferenz, da wird ein Demand da sein. Ich glaube auch, dass es dann, wenn es wirklich so ist, dass es viel über Inferenz geht und die Latenzen entsprechend gering sind, man nicht mit fünf durch die Gegend rennen sollte, sondern eher mehrere dieser Factories bauen sollte, und wahrscheinlich nah der industriellen Ballungszentren, um dort die Latenzen besonders gering zu halten. Und ganz offen gesprochen: Nehmen wir mal an – was natürlich total unwahrscheinlich ist, weil wir einfach super cool sind – wir kriegen den Zuschlag nicht. Dann heißt es ja nicht, wir bauen kein Rechenzentrum. Dann könnten Bernt und ich und vielleicht andere Partner – wir haben relativ viele Partner auch im Hintergrund, die weitere Beiträge leisten – immer noch zu dem Schluss kommen: Das ist eigentlich so cool, wir bauen das selbst, und machen das also theoretisch denkbar, und machen das ohne EU oder Regierungsförderung. Aber das ist jetzt erstmal nicht unser Ansinnen. Natürlich gucken wir jetzt erstmal in diese Richtung, aber denkbar ist das. Wenn der Demand da ist, wenn es wirtschaftlich ist, why not?

Bernd Holtwick: Erst einmal unabhängig von dem aktuellen Verfahren, in dem wir zusammengekommen sind, ist es natürlich immer etwas, was auch übrig bleibt, egal ob am Ende wir erfolgreich sind oder nicht. Wir haben hier unser Netzwerk gemeinsam erweitert und können da auch in Zukunft immer wieder schauen, wie vielleicht auch was zusammenpasst. Wir selber bei Hochtief, wir setzen auf Giga Factories in der ganzen Welt auf Betrieb, aber auf jeden Fall auch auf Edge. Und das ist das, was Andreas gerade gesagt hat: Absolut, der Edge-Markt ist einer, der noch kommt. Das ist auch ein Markt, der für die Industrie noch viel wichtiger ist, und ich sehe darauf basierend dann auch noch die nächsten Schritte. Neben den Edge-Themen, die in die Richtung IoT und ähnliche reingehen, kommt das ganze Thema Robotik noch, was noch sehr spannend wird. Das wird nämlich noch eine weitere Industrierevolution, die sich ankündigt.

Moderator (Andreas Maurer): Das heißt, dann haben wir nach den Giga Factories wahrscheinlich die Micro Factories.

Bernd Holtwick: Wir werden ein komplettes Netzwerk an Rechenzentren sehen. In der Mitte die ganz großen, und dann werden die Richtung Edge immer kleiner, bis dann in die Devices selber rein, die völlig autonom – haben wir heute auch gehört – im Roboter vielleicht auch selber eigene Entscheidungen schon treffen autonom.

Moderator (Andreas Maurer): Also das erste Rechenzentrum von Schlund und Partner, der Urwurzel von Ionos, war damals der Desktop PC auf dem Schreibtisch unseres Firmengründers. Da ist viel auf dem Weg passiert. Vielen Dank bei Bernt Holtwick und Dr. Andreas Nauerz für die Insights. Und vielleicht sprechen wir uns in einem Jahr wieder und gucken, was daraus geworden ist.

Dr. Andreas Nauerz & Bernd Holtwick: Ja, vielen Dank Andreas. Hat Spaß gemacht.